Die Website ist ein Archiv für unser Projekt Das Brotbaum·regime.
Ein Archiv ist eine Sammlung.
Wir haben hier Informationen über das Projekt gesammelt.Und Informationen zu unserer Ausstellung.
Außerdem gibt es viele Informationen zu den Themen Wald und Kultur.
Ausstellung im Foyer
Autor*innen
Leonard Anton, Roman Beiz, Lotte Brauer, Jakob Drewitz, Jan Fischer, Sophie Hiller, Yannick Hülsbusch, Paul Kraft, Antonia Schmidt, Leonie Schmidt-Wittler, Jonah Schulte, Fabian Starke, Michel Steinrücken, Dr. Christoph Thüer und Johannes Weber
Die Einführung des „Brotbaums“ und Proteste der Bevölkerung (1802-1848)
Um die Fichten besser gedeihen zu lassen, wurden schon unter der Verwaltung von Hessen-Darmstadt die Wald- und Weiderechte (Holzgerechtsame und Huderechte) der Bevölkerung abgelöst, die dagegen heftig protestierte. So wichtig der Schutz des Waldes einerseits war; für die vorwiegend bäuerlich lebende Bevölkerung verschlechterte sich damit die individuelle wirtschaftliche Situation teils dramatisch. Sie hatte sowohl mit „Holznot“ zu kämpfen, als auch damit, dass sie ihr Vieh nun nicht mehr in den Wäldern weiden lassen durfte. Unter der besonders rigorosen preußischen Wald-Verwaltung, die seit 1816 für die Region um Brilon verantwortlich war, steigerte sich diese Abneigung noch einmal. Aus dem ungeliebten „Hessenbaum“ wurde der verhasste „Preußenbaum“. Überall kam es zu Übergriffen auf Anpflanzungen. Holzraub, Viehweidung oder unerlaubte Jagd wurden vorsätzlich begangen. Die Forstverwaltungen reagierten: 1837 wurde den Förstern Waffenbesitz erlaubt. Für Hinweise auf Wald- und Wilddiebe gab es teils hohe Belohnungen. Es entbrannte ein regelrechter „Krieg um den Wald“ mit Toten auf Seiten der Förster sowie der Wilderer und Waldfrevler.
Die Revolution von 1848 und die Folgen für den Wald
In dieser Situation verschärften sich die Proteste. Die Aggressionen gegenüber Förstern und (adeligen) Waldbesitzern nahmen zu. Adelssitze wurden verwüstet, teils zerstört. Die breite Bevölkerung war nicht dazu bereit, den Gewinn aus dem Wald allein den Eliten zu überlassen.
Der Protest hatte schließlich Erfolg: Im Juli 1848 wurde die Waldnutzung (vorerst) neu geregelt und es kam zu Amnestie für Holzdiebstähle und Forstfrevel. Außerdem wurde die Jagd für alle freigegeben und es gab keine Schonzeit für Wild mehr.
Doch so verständlich diese Maßnahmen aus der Sicht der in ärmliche Verhältnissen lebenden Bevölkerung auch war und so sehr sie weitere bewaffnete Aufstände und Plünderungen verhinderte, so schädlich war sie letztlich aus ökologischer Sicht. Vor allem das Wild hatte darunter zu leiden. Für viele Bauern war der Wildbestand eher eine Last, nagte er doch die Saaten an und zerstörte ihr Einkommen. Es wurde daher geschossen, was vor die Flinte kam. Das Ergebnis war niederschmetternd: Viele Wildarten wurden damals (fast) ausgerottet. „Der Wald ist öde und leer“ hieß es dann z.B. auch 1855 in einer Hirschberger Quelle.
Die Wiedereinführung von Schonzeiten für Wild sowie Jagdpachtregelungen, welche die Zahl der jagenden Personen einschränken und die Jäger unter mehr Kontrolle stellen wollten, hatten nur teils Erfolg. Sie wurden von der Bevölkerung nur zögerlich oder gar nicht akzeptiert. Weiterhin wurde willkürlich gejagt. Auch Holzdiebstähle fanden nach wie vor statt. Sogar mit zunehmender Intensität. Allerdings war zumindest vorübergehend für eine Weile Frieden im Wald eingekehrt, in dem es jetzt kaum noch bewaffnete Auseinandersetzungen gab. Dabei sollte es aber nicht bleiben.
Der Wald im 18. Jahrhundert: Auf dem Weg in die ökologische und wirtschaftliche Notlage
Doch im Laufe der Jahre wurde es zu viel. Die Menschen strapazierten den Wald weit über ein ökologisch verträgliches Maß hinaus: Waldbestände, die abgeholzt worden waren, wurden zumeist nicht wiederaufgeforstet, sondern dienten als Weideland. Das weidende Vieh verhinderte, dass Samen oder Schösslinge emporkeimten und abgestorbene Bäume ersetzten konnten. Durch diese Übernutzung entstanden Ödland, Flächen mit Heiden sowie Borstgrasrasen. Es kam zu einer Übersäuerung der Böden. Letztlich führte diese nicht nachhaltige Waldbewirtschaftung zu einer Wald- und Ressourcenknappheit. Das Holz, damals der wichtigste Energieträger, ging immer mehr zur Neige. Die ohnehin schon schwierige Lebenssituation der Bevölkerung wurde dadurch noch einmal verschlimmert.
Die Bedeutung der Fichte im Industriezeitalter (um 1850 bis ins 20. Jahrhundert)
Die Folge war klar: Das Holz, das immer mehr als Nutzholz und immer weniger als Brennholz diente, wurde knapper und wertvoller. Deshalb legte die Forstverwaltung bestimmte Ziele fest. Waldflächen sollten vermehrt, die Holzproduktion gesteigert und die weitläufigen Öd-Flächen besser genutzt werden. Ende des 19. Jahrhunderts wurde dies weitgehend erreicht. Eine wichtige Maßnahme war in diesem Zusammenhang die Ablösung der Nutzungsrechte der bäuerlichen Bevölkerung. Viele Waldteile wurden jetzt in ihrer Funktion umgestaltet. Seit 1840 wurde immer mehr Wald zu Staatswald oder Stadtwald. Er wurde bald wichtiger als die privatwirtschaftliche Produktion. Die Maßnahmen hatte langfristig Erfolg: Zwischen 1862 und 1965 kam es zu einer verdoppelten Wuchsleistung der Wälder. Den größten Anteil daran hatte die Fichte als schnellwachsender „Brotbaum“. Sie war der „Gewinner“ der Umgestaltung. Die positive Wirtschaftsbilanz, die durch sie erzielt wurde, ließ selbst die letzten Wiedersprüche gegen sie verschwinden.
Bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts setzten Naturkatastrophen dem Wald, insbesondere der Fichte, zu. Als Problem wurde aber nicht die Baumart angesehen, sondern die fehlende Ordnung des Waldes. Es wurden daher Maßnahmen zum Trauf- und Deckungsschutz der Bäume ergriffen, welche die Stabilität des Waldes erhöhen sollten. Außerdem wurden die Formen des Holzschlages stark reglementiert, dessen Häufigkeit kontrolliert. Durch all die genannten Maßnahmen hoffte die Forstverwaltung, dem Wald zu helfen, besser gegen die Unbill der Natur zurechtzukommen. Die erhoffte Wirkung trat jedoch nicht ein. Die Schadensbilanz war z.B. nach Stürmen ähnlich wie zuvor. Nachdem es immer wieder zu scharfer Kritik an der Reglementierung des Waldbaus gekommen war, wurde daher seit den 1920er Jahren die waldbauliche Freiheit allmählich wiederhergestellt.
Der „Krieg im Wald“: Beispiel eines Förstermordes aus dem Jahr 1919
Am Morgen des 27. Juli 1919 starben am Hengelsbach zwischen Brilon und Rüthen der Stadtförster Karl Seffen und der Förster Hugo Birkenfeld durch Schüsse. Als Hauptverdächtige wurden von der Polizei Theodor Dodt und Gregor Ester verhaftet. Vor dem Arnsberger Schwurgericht am 20. Mai 1920 wurde Ester zu 8 Jahren Zuchthaus und Dodt zum Tode verurteilt.
Doch war es heimtückischer Mord, Notwehr oder steckte mehr dahinter?
Tatsache ist, dass die Tat in einer Zeit geschah, die sozial und ökonomisch ausgesprochen schwierig war. Die Ernährungslage der Bevölkerung war auch in ländlichen Gebieten eher schlecht. Viele machten daher das, was schon im 19. Jahrhundert Mittel zur Linderung des Notstandes gewesen war: sie wilderten. So auch Theodor Dodt. Er war bereits 13 Mal wegen Wilderei verurteilt worden. Stadtförster Seffen hatte ihn schon im Visier: er hatte offenbar damit gedroht, Dodt „aus dem Hinterhalt und ohne Anrede über der Haufen schießen und liegen lassen“ zu wollen. Dodt seinerseits, wohl schon immer eine schwierige Persönlichkeit, war einer jener Soldaten gewesen, die nach Kriegsende nur schwer wieder in die Zivilgesellschaft zurückfanden. Heute spräche man sicher von posttraumatischen Belastungsstörungen und kriegsbedingter Verrohung.
Das Verhältnis zwischen Dodt und Seffen war von gegenseitigem Hass geprägt. Die Auseinandersetzung waraber auch exemplarisch für ähnliche Konflikte. Bisweilen war der Wald im 19. und frühen 20. Jahrhundert ein regelrechtes Kriegsgebiet.
Wer bei jener Begegnung am 27. Juli 1919 zuerst geschossen hat und ob es sich um Mord oder Notwehr handelte, ist bis heute nicht klar. Die Schilderungen der Zeugen variieren. Heute wäre das Urteil für Dodt und Ester vermutlich anders ausgefallen, denn es gab keine zweifelsfreien Beweise. Die Entscheidung des Gerichts wirkt deshalb, so wird auch heute von Historikern vermutet, wie Rache im Sinne der Förster. Dass Dodts Strafe schließlich in „Lebenslang“ umgewandelt wurde, kann als später Zweifel der Justiz an der Korrektheit des Urteils gewertet werden. Dodt verstarb während der Haft. Ester kam gemäß Urteil aus der Haft frei.
Kyrill, Borkenkäfer und Klimawandel: Problemstellungen für den Wald der Gegenwart
Im Jahr 2018 wurde erstmals Borkenkäferbefall in Brilon festgestellt. Das Insekt bohrt sich in die Rinde des Baumes ein und zertrennt die wasserführende Schicht des Baumes, der nun kein Wasser mehr in die Krone befördern kann. 130.000 Festmeter Holz wurden deshalb 2020 geschlagen.
Die durch den Borkenkäfer entstandenen Kahlflächen werden durch Austrocknungen geschädigt, da der Schutz der Bäume nicht mehr da ist. Die Sonne scheint ungehindert auf den Waldboden. Daher sind Wiederaufforstungen wichtig, die sehr unterschiedlich gehandhabt werden. Es gibt aber auch Stimmen, die die betroffenen Gebiete vollkommen sich selbst überlassen wollen.
Letztendlich wird die Artenvielfalt und Nachhaltigkeit des Waldes, der Wirtschaftsfaktor und Kulturgut zugleich ist, für weitere Generationen wichtig sein. Gerade auch angesichts der Herausforderungen des Klimawandels.
Ein in der Region Brilon häufig gewähltes Konzept mit den dahinter stehenden Überlegungen stellt der Waldbesitzer Stephan Steinrücken hier exemplarisch vor:
„Wie stelle ich mir meinen zukünftigen Wald vor? – Als einen klimastabilen Wirtschaftswald!
Wir pflanzen alle gängigen Nadelhölzer wie z.B. Douglasie, Weißtanne, Lärche, Küstentanne und Fichte. Es wird in verschiedenen Anordnungen gepflanzt, durchmischt mit Buchenpflanzen aus eigenen Wildlingen. Das Laubholz – für das die Marktsituation im Übrigen zurzeit schwierig ist – spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle von 10-20 Prozent.
Da Douglasien, Weißtannen, Küstentannen und Lärchen stark durch Wildverbiss dezimiert wird, ist ohne Verbissschutz kaum ein Erfolg zu erwarten. Die Fichte verjüngt (vermehrt) sich von ganz alleine und ist von Verbiss nicht annähernd so gefährdet wie andere Nadelhölzer. Ihr Anteil beträgt nach wie vor 40-50 Prozent. Sie ist der Brotbaum des Waldbauers. Aus wirtschaftlicher Sicht pflanzen wir auch Nordmanntannen und Nobilis. Etwa 50 Prozent davon werden als Weihnachtsbäume genutzt. Der Rest bleibt stehen, damit daraus ein Hochwald wird. In die entstandenen Lücken werden Lärchen und Douglasien gepflanzt. Die Laubholzbestände haben für den Wasserhaushalt und den Boden eine wichtige Aufgabe. Der wirtschaftliche Aspekt ist schwierig: Auf einem ha Buchenwald stehen nach 100 Jahren ca. 200 - 350 Festmeter Holz, davon sind ca. 50 Prozent Stammholz und 50 Prozent Industrieholz. Auf einem ha Fichtenwald stehen demgegenüber nach 70-80 Jahren ca. 800 Festmeter Holz, davon sind ca. 90 Prozent Stammholz und 10 Prozent Industrieholz. Zusätzlich kann ich das Fichtenholz schon in der Jugendklasse besser nutzen als Buchenholz. Das gleiche gilt auch für andere Nadelhölzer."